Ghana-Reise (26.01. - 07.02.25) - Teil 1: Zwischenseminar in Accra
- leaintogo
- 29. Mai
- 6 Min. Lesezeit
In der Woche vom 26. Januar bis 02. Februar stand für uns VIA-Freiwillige das Zwischenseminar in Accra an. Am Sonntag Morgen ging es zum Grenzübergang, der keine halbe Stunde mit dem Auto entfernt liegt, da die Grenze direkt an der Stadtgrenze Lomés verläuft. Unsere Visa hatten wir bereits in der Wochen zuvor in der Ghana-Botschaft erhalten, was dank unserer Carte de Séjour (= Aufenthaltsgenehmigung, im Grunde ähnlich wie ein Visum) recht problemlos vonstatten ging. (Ohne Carte de Séjour müsste man das Visum eigentlich in der Botschaft in Deutschland beantragen, was nun mal ein wenig schwierig ist, wenn man bereits in Togo und nicht mehr in Deutschland ist…)

An der Grenze wurden - neben der Kontrolle von Reisepass und Impfpass - Fingerabdrücke von jeweils ALLEN 10 Fingern genommen und Fotos gemacht!). Nach dem Kauf von SIM-Karten ging es recht kuschlig (hinten zu viert) im Auto-Taxi nach Accra. Unser Taxifahrer schien wenig Lust auf im-Stau-stehen zu haben und ist daher meist auf dem Seitenstreifen oder der Fahrbahn des Gegenverkehrs an den stehenden Autos vorbeigefahren. An sich verlief die Fahrt also ganz gut - zumindest solange, bis ihm bewusst wurde, dass unser angestrebtes Ziel HINTER Accra liegt. Je länger wir uns durch den stockenden Verkehr in Ghanas Hauptstadt gequält haben, desto unfreundlicher wurde er. Als wir aufgrund eines Missverständnisses falsch abgebogen sind und umdrehen mussten, hat er uns kurzer Hand am Straßenrand abgesetzt und wir mussten für die letzten Kilometer ein neues Taxi suchen. Ehrlich gesagt staune ich immer noch, dass wir zu fünft (+ Fahrer) und mit unseren fünf Wanderrucksäcken bzw. Koffern in dieses kleine Stadttaxi gepasst haben…

Mit ein wenig Verspätung - wir mussten ja auch noch in ein anderes Land einreisen - haben wir es dann zu unserem Seminarort geschafft. Das Sikaso Beach Hotel liegt in Kokrobite, etwas außerhalb der Stadt und direkt am Strand. Die meisten anderen Freiwilligen wurden wie ich von VIA entsendet, es nahmen aber auch einige Freiwillige von kleineren Organisationen teil, die kein eigenes Zwischenseminar haben. So waren wir eine bunt gemischte Gruppe, die vorrangig aus Ghana kam, Togo und Benin waren aber ebenfalls vertreten.


In den folgenden Tagen haben wir uns mit verschiedensten Themen beschäftigt, wobei insbesondere die Reflexion und der Austausch mit den anderen Freiwilligen eine große Rolle gespielt haben. Zudem haben wir über kulturelle Unterschiede, Privilegien sowie koloniale Kontinuitäten (Nachwirkungen des Kolonialismus, die heutzutage immer noch zu spüren sind) gesprochen. Ich habe die Woche und den Austausch mit den anderen Freiwilligen sehr genossen! In den Gesprächen habe ich festgestellt, wie zufrieden ich mit meiner Einsatzstelle und meiner Art von Unterbringung bin (für mich persönlich ist es das Richtige, außerhalb des Projekts und nicht in meiner Einsatzstelle zu wohnen). Außerdem darf ich mich wohl sehr glücklich schätzen, dass ich in der Hauptstadt meines Gastlandes lebe. So kann ich beispielsweise von Supermärkten (und damit glutenfreien Ersatzprodukten) und dem Zugang zu kulturellen Angeboten (z.B. vom Goethe Institut) profitieren, aber auch von anderen Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung (z.B. Judo-Club) sowie dem Strand.

Im Hotel hatten wir Vollpension, sodass ich mich eine ganze Woche lang bekochen lassen durfte. Eine sehr angenehme Abwechslung, auch weil die glutenfreie Verpflegung gut geklappt hat und das Essen sehr lecker war. Entweder konnte ich das Gleiche essen wie der Rest der Gruppe oder ich habe etwas anderes bekommen. Zum Frühstück gab es zum Beispiel immer frisches Obst (Mango, Ananas und Wassermelone), Rührei und für mich Reisporridge (anstelle von Brot oder Brötchen). Für die anderen beiden Mahlzeiten wurde gekocht.
Nach dem Essen sind wir meist noch sitzen geblieben, haben uns unterhalten und abends wurde oft Karten oder Werwolf gespielt.

Da das Hotel direkt am Strand liegt, haben wir die Mittagspause oft im Meer verbracht.😁

Während der Seminarwoche gab es noch einige besondere Programmpunkte, auf die ich im Folgenden genauer eingehen möchte.😊
Am dritten Seminartag haben wir Besuch von der ghanaischen Aktivist:innen-Gruppe Drama Queens bekommen, die sich für feministische, LGBTIQ- sowie Umwelt-Themen einsetzt. An dieser Stelle möchte ich noch mal hervorheben, wie besonders ihr Engagement insbesondere für die queere Community ist, da die Toleranz gegenüber dieser Thematik in Ghana (wie auch in Togo) sehr gering ist. Homosexuelle Handlungen sind verboten und können mit bis zu 3 Jahren Gefängnis bestraft werden. Mitglieder der LGBTIQ-Community werden nicht selten diskriminiert und sind in der Öffentlichkeit Anfeindungen oder sogar Gewalt ausgesetzt. In Ghana gibt es zwar kein Gesetz, welches zum Beispiel den Austausch über LGBTIQ-Themen oder Versammlungen untersagt, allerdings können sich queere Menschen praktisch nicht in der Öffentlichkeit treffen und auch die NGOs haben es nicht leicht.
2024 wurde vom Parlament ein Gesetzesentwurf zur Förderung der sexuellen Rechte des Menschen und der ghanaischen Familienwerte verabschiedet, welches eine starke Verschärfung des bisher geltenden Gesetzes mit sich bringen würde. Aufgrund mehrerer Klagen, die u.a. die Verfassungsmäßigkeit des umgangssprachlich sog. Anti-LGBTIQ-Gesetz in Frage stellen, hat der Präsident dem Gesetz bis jetzt nicht zugestimmt.
Am Freitag sind wir bereits um 7 Uhr mit einem gemieteten Bus nach Accra gefahren. Das Ziel: ein Strand, der laut Google Maps theoretisch 45min entfernt ist - im morgendlichen Berufsverkehr haben wir allerdings 2h gebraucht. Dort haben wir an einem Beach-Clean-Up teilgenommen, d.h. wir haben Müll am Strand gesammelt. Dafür waren wir mit Handschuhen, Mundschutz und Plastiktüten (deren Plastik leider alles andere als recycelt war) ausgestattet worden.

Insgesamt haben wir etwa 2h lang Verpackungsmüll, Schuhe, Plastik-Löffel, Strohalme, und und und aufgesammelt, aber auch tief im Sand steckende Stoffreste ausgegraben. Ich fand es ziemlich schockierend, …
a) dass beim Ziehen an einer im Sand vergrabenen Plastiktüte fünf weitere zum Vorschein kamen,
b) wie viele kleine Styropor-Stücke in jeder noch so kleinen Ritze der Felswand (an der Hinterseite des Strandes) zu finden waren und
c) dass sogar in den Bäumen und der Felswand Müll hing (wird wahrscheinlich von oben runtergeworfen).

Das Müll-Sammeln glich wahrlich einer Sisyphos-Arbeit. Als wir gegen 12 Uhr Schluss gemacht haben, sah der Strand zwar schon deutlich besser aus, der Müll war aber noch lange nicht vollständig aufgesammelt.
Die Umwelt hat sich über unsere Bemühungen sicherlich gefreut. Wir hatten aber leider das Gefühl, dass es eher um die Selbstdarstellung ging, da das Ganze von Anfang (ab dem Moment, in dem unser Bus auf dem Parkplatz ankam) bis Ende gefilmt und in den sozialen Medien live gestreamt wurde. Das Ziel war, dass der Strand „gut aussieht“, weshalb wir nur den Müll sammeln sollten, der oberflächlich zu sehen war. Sobald wir angefangen haben tiefer zu graben, hieß es „Das brauchst du nicht machen, das reicht schon“. Der Fakt, dass es sich bei dem Strandabschnitt um einen Privat-Strand handelte, hat es nicht unbedingt besser gemacht…

Den restlichen Tag hatten wir zur freien Verfügung und zusammen mit vier anderen Mädels habe ich ein wenig die Stadt erkundet. Zuerst waren wir auf dem Makola Market, dann sind wir zum Mittagessen in das italienische Restaurant Pinocchio gefahren. Leider verlief die Fahrt dorthin nicht ganz wie geplant: Erst standen wir ziemlich lange im Stau und es ging lediglich stückchenweise voran. Und dann kam auch noch ein Polizist vorbei, der eigentlich nur routinemäßig den Führerschein des Fahrers kontrollieren wollte, nach einem genaueren Blick ins Wageninnere aber vier Yovos (oder besser gesagt Aubronies = der Begriff für „Weiße:r“ in der Landessprache Twi) auf der Rücksitzbank entdeckt hat. (Theoretisch darf man hinten nur zu dritt sitzen, praktisch interessiert das aber kaum jemanden bzw. die öffentlichen Sammeltaxis fahren vorher oft gar nicht los.) Bei einer nahegelegenen Polizeistation musste der Fahrer 200 Cédi (ca. 15€) Strafe zahlen, um seinen Führerschein wiederzubekommen.
Die Strapazen des Tages waren schnell vergessen, als wir im klimatisierten Restaurant vor unseren Tellern saßen. Das Essen war einfach himmlisch! Ich habe mir Kartoffelgratin sowie mit Käse überbackene Auberginen bestellt - wenn ich daran zurückdenke, läuft mir direkt das Wasser im Mund zusammen.

Zum Nachtisch gab es dann noch 2 Kugeln Eis und essenstechnisch habe ich spätestens dann auf Wolke 7 geschwebt!

Anschließend haben wir uns auf den Weg zur Accra Mall gemacht, einem Einkaufszentrum in der Innenstadt. Dort bin ich aus dem Staunen gar nicht mehr herausgekommen: Neben Burger King, KFC und Pizza Hut gibt es dort einen wirklich großen Supermarkt, einen Decathlon und sogar einen Deichmann!😳
Ein weiteres Highlight war der Bunte Abend (= letzter Abend), an dem wir unsere eigene Version von Wer weiß den sowas gespielt haben. Die vier Teams mussten je eine Frage aus jeder Kategorie (Allgemeinwissen, Rund um die Welt, Westafrika, …) beantworten und je nach Schwierigkeit gab es unterschiedlich viele Punkte dafür. Danach haben wir eine sehr große Runde Werwolf (mit über 20 Leuten) gespielt und dazu hatten wir sogar Snacks (Schokolade, Chips, etc. - etwas ganz Besonderes hier!)

Nach der Seminar-Woche habe ich noch eine Woche Urlaub in Ghana gemacht. Zuerst habe ich ein paar Tage in Cape Coast verbracht, im Anschluss bin ich noch nach Busua gefahren.
Dazu mehr im 2. Teil… Viel Spaß beim Lesen!
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