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100 Tage Togo - Teil 2: Meine Einsatzstelle

Aktualisiert: 6. Apr.

Aller Anfang ist schwer

Bereits eine Woche nach unserer Ankunft haben wir angefangen zu arbeiten, was eher ungewöhnlich ist. Meist hat man die ersten Wochen Zeit, sich zu Hause einzuleben und ein bisschen die Stadt sowie die Umgebung zu erkunden. Das fiel bei uns weg, dafür mussten wir nicht so lange warten, bis es losging. Denn wir waren alle sehr gespannt, was uns in unseren Projekten erwarten wird.

In der Anfangszeit, als alles neu war und ich keine Ahnung von den Abläufen, Routinen oder Erwartungen an mich hatte, habe ich viel beobachtet. Die Mädchen haben mich in dieser Zeit sehr unterstützt: Sie nahmen mich an der Hand und zogen mich mit sich, um mir die Dinge einfach zu zeigen. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar, denn dadurch musste ich nicht wegen allem fragen.😇

Von der directrice (= Direktorin) bekam ich einen Plan, der meine Arbeitszeiten während des ersten Monats geregelt hat: In den ersten beiden Wochen habe ich um 8 Uhr angefangen und bin nachmittags wieder nach Hause gefahren. In der dritten Woche bin ich nach dem Mittagessen gekommen und habe bis 19 oder 21 Uhr gearbeitet. In der vierten Woche habe ich dann sogar zwei Mal übernachtet. Außerdem war ich zum ersten Mal auch am Wochenende da und habe mein Einrad-Projekt begonnen.

Nach Ablauf dieses Monats habe ich zusammen mit der directrice und einer der Mamans meine zukünftigen Arbeitszeiten zusammengestellt. Zum Beispiel arbeite ich jeden Samstagnachmittag, weil dieser Tag am sinnvollsten für das Einrad-Projekt ist. Dafür habe ich dann montags immer frei.

Meine Einsatzstelle - links: Blick vom Eingang aus; rechts: Blick auf den Eingang (l.: secrétariat; r.: Wohnhaus)
Meine Einsatzstelle - links: Blick vom Eingang aus; rechts: Blick auf den Eingang (l.: secrétariat; r.: Wohnhaus)

Eine kleine Beschreibung meiner Einsatzstelle

Meine Aufnahmeorganisation ist die ONG „J. A. TO“ (Jeunesse Antonienne Togolaise). Ihr Ziel ist es, die Rechte von Kindern und Jugendlichen – insbesondere die junger Mädchen – zu fördern und zu schützen. Die ONG arbeitet eng mit dem Zentrum „Foyer Antonio“ zusammen, welches meine Einsatzstelle darstellt. Es handelt sich dabei um ein Langzeitwohnheim, das momentan 18 Mädchen im Alter von 7 bis 18 Jahren beherbergt. Ein Teil von ihnen ist schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen (bspw. Diebstahl), während andere sich in einer Situation extremer Vulnerabilität befinden (z.B. können sich ihre Eltern nicht um sie kümmern, o.ä.). Es gibt drei Mamans (Erzieherinnen), die abwechselnd für je 2 Tage mit den Mädchen im Foyer wohnen.

Als Freiwillige werde ich als Teil der Familie betrachtet. Ich wurde sehr herzlich aufgenommen und fühle mich in meinem Projekt gut aufgehoben. Von Seiten der Direktorin und der Mamans erfahre ich viel Wertschätzung und bekomme ein großes Maß an Verantwortung anvertraut, sodass ich sehr selbstständig arbeite.



Ein typischer Arbeitstag

Gegen 8 Uhr (dienstags um halb acht, da um 8 Uhr die Réunion ist) werde ich von meinem Fahrer zu Hause abgeholt. Dann geht es mit dem moto ca. 5min auf dem „Boulevard du 30 Août“ gen Norden, bevor wir unseren Weg auf einer der roten Sandstraßen fortsetzen. Etwa 10 bis 15min dauert die restliche Strecke über die staubige (Trockenzeit) bzw. matschige (Regenzeit), holprige Straße.

Auf der Arbeit angekommen, werde ich von der Maman mit einem herzlichen „Bonne Arrivé!“ (= Herzlich Willkommen) begrüßt und gefragt, wie es mir geht. Die Mamans haben ein kleines Zimmer mit Bad nebendran, in dem ich nun meinen Rucksack und Helm abstelle.

Morgens ist es immer etwas ruhiger, weil alle bis auf die Älteste in der Schule sind. (Sie macht sich etwa um halb 12 auf den Weg zum lycée und kommt abends gegen 17.30 Uhr wieder nach Hause.) Mittags kommen erst die jüngeren Mädchen (Grundschule) nach Hause und etwas später treffen dann auch die Älteren ein. Nachdem die Hände gewaschen sind, wird die Schuluniform gegen die eigene Kleidung getauscht. Bei den Jüngeren besteht die Uniform aus einem beigen Kleid, die Älteren tragen einen beigen Rock und eine weiße Bluse. Dann wird gemeinsam zu Mittag gegessen. (Wenn ich da bin, esse ich gemeinsam mit den Mädchen.) Vor dem Essen stehen alle auf und es wird ein Tischgebet gesprochen. Gekocht wird übrigens über dem Feuer, da das günstiger als mit Gas ist.

Die Feuerstelle
Die Feuerstelle

Mindestens eine Mahlzeit pro Tag besteht aus pâte (eine Art Maisbrei) und dazu wechselnde Soßen. Weitere Gerichte sind z.B. Reis mit (einer ziemlich scharfen) Tomatensoße oder haricots (= Bohnen) mit gari (auch „veyi“ genannt) (so etwas Ähnliches wie Semmelbrösel, hergestellt aus Maniok). Reis und haricots esse ich mit einem Löffel, aber für das pâte haben mir die Mädels gezeigt, mit den Fingern zu essen. Das Problem ist lediglich, dass das Essen so heiß ist, dass ich mir fast die Finger verbrenne. Auch deshalb bin ich ziemlich langsam beim Essen, sodass alle anderen schon fertig sind und ich gerade mal die Hälfte gegessen habe…

Anschließend ist bis ca. 15 Uhr Mittagspause. In dieser Zeit habe ich die Möglichkeit, mich ins Zimmer der Mamans zurückzuziehen und bspw. einen Mittagsschlaf zu machen. Anfangs war es etwas ungewohnt, mit einem „Va te reposer!“ (= Geh dich ausruhen!) ins Zimmer geschickt zu werden. Mittlerweile habe ich diese zwei potentiellen zusätzlichen Stunden Schlaf sehr zu schätzen gelernt und komme ausgerüstet mit Oropax und Schlafmaske zur Arbeit.😜

Von 15 bis 17 Uhr haben die Grundschülerinnen noch mal Unterricht - es sei denn, es ist Mittwoch oder Freitag. Die Älteren haben - je nach Klasse - an einem der Nachmittage Sportunterricht, sind sonst aber zu Hause.

Die Mädchen, die im „Foyer“ sind, machen z.B. Hausaufgaben oder kommen ihren Aufgaben im Haushalt nach. Das bedeutet bspw. ihre Wäsche zu waschen oder zu kochen.



Meine Aufgaben

Mit den Jüngeren übe ich Lesen und Kopfrechnen, den Älteren helfe ich bei den Hausaufgaben oder gebe Nachhilfe (v.a. Englisch und Deutsch). Hast du schon mal Englisch-Grammatik auf Französisch erklärt? Nein? Und wie sieht’s mit Mathe aus? An sich kein Problem - wenn man das passende Vokabular hätte. Aber zum Glück gibt es ja Übersetzer-Apps.

An schulfreien Nachmittagen, so wie mittwochs, ist Zeit zum Spielen: mit dem Ball, Gruppenspiele, die ich aus der Jugendarbeit von zu Hause kenne (z.B. „Menschen-Memory“, „Ochs am Berg“, „Kotzendes Känguru“), oder Kreis- und Klatschspiele, welche mir die Mädchen gezeigt haben. Alternativ wird getanzt, herumgealbert oder wir unterhalten uns.

Ob aufgeklebte Fingernägel oder Tatoos - der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt
Ob aufgeklebte Fingernägel oder Tatoos - der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt
l.o.: ein Mädchen hat mir eine Schlaufe für meine Handyhülle gemacht🥰; r.: auch das Frisieren meiner Haare gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen der Mädchen
l.o.: ein Mädchen hat mir eine Schlaufe für meine Handyhülle gemacht🥰; r.: auch das Frisieren meiner Haare gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen der Mädchen

Und am Wochenende machen wir etwas ganz Besonderes! Ich bin nämlich mit 4 Einrädern im Gepäck nach Togo gereist und nun wird jeden Samstagnachmittag Einradfahren geübt (s. „Mein Einrad-Projekt“: https://leaintogo.wixsite.com/lea-in-togo/post/mein-einrad-projekt).

Schnappschuss vom samstäglichen Einradfahren
Schnappschuss vom samstäglichen Einradfahren

Wenn ich möchte, kann ich auf der Arbeit übernachten. Das habe ich in den letzten Monaten mehrmals gemacht und bin dann Sonntagmorgen mit den Mädchen in die Kirche gegangen. Es gibt 2 Gottesdienste: Der erste startet bereits um 6 Uhr, der zweite um halb 9. Ich war in beiden und habe festgestellt, dass der erste auf Éwé gehalten wird, während im späteren Französisch gesprochen wird.

Beide haben mich im Großen und Ganzen sehr an den Gottesdienst, den ich von zu Hause kenne, erinnert. Es gibt Ministranten (nur Jungs), die mit einem Kreuz einziehen und Weihrauch dienen. Allerdings habe ich auch ein paar Unterschiede bemerk: Bspw. dauert der Kirchenbesuch zwischen 2 und 2,5h und die Kollekte nimmt dabei eine ungewohnt große Rolle ein. Während das Sammeln des Geldes in meiner Gemeinde während der Gabenbereitung stattfindet, wird es in dieser Kirche als eigener Programmpunkt „zelebriert“ - und das gleich zweimal! Nach den Fürbitten wird eine Spendenbox aufgestellt und nacheinander - erst die Mädchen, dann die Jungen, anschließend die Frauen und dann die Männer - gehen (oder besser gesagt: tanzen) die Kirchenbesucher:innen nach vorne und werfen ihr Geld durch den Schlitz. Dann findet die Gabenbereitung statt und nach der Kommunion beginnt die Prozedur von vorne. Wer nicht gerade auf dem Weg zur Kollekte ist, tanzt und singt in seiner Bank.

Alles in allem ist es ein sehr lebhafter Gottesdienst, gefeiert in einer ziemlich vollen Kirche. Die Menschen sind sehr schick gekleidet und tragen meist Kleider / Blusen und Röcke / Hosen und Hemden aus pagne.

Gruppenbild nach der Kirche
Gruppenbild nach der Kirche

Des Weiteren unterstütze ich die Arbeit der Mamans. So nehme ich bspw. an der wöchentlichen „Réunion“ (Mitarbeiterversammlung) teil, bei der mit dem gesamten Team (Mamans, directrice und Psychologe) Probleme und Fragen aus der vergangenen Woche sowie wichtige Themen für die kommende Woche besprochen werden. Außerdem findet einmal pro Woche die sog. „Causerie éducative“ statt. Das ist eine Gruppenstunde, geleitet von der Maman, bei der jedes Mal ein anderes Thema zur Sprache kommt. Beispiele hierfür sind: Diebstahl, sexueller Missbrauch, Hygiene, Freiwilligkeit („Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“) oder Umgang mit Wut. Zudem gibt es jeden Freitag eine weitere Gruppenstunde mit dem Namen „Vie de Groupe“. Hier kommt nacheinander jedes Mädchen zu Wort und es wird bspw. der Raum gegeben, um Konflikte unter den Mädchen zu lösen.



Herausforderungen

Eine Herausforderung stellt für mich die Sprachbarriere dar. Gerader die Kommunikation mit den jüngeren Kindern ist teilweise nicht ganz leicht. Das liegt insbesondere daran, dass die Kinder als Muttersprache nationale Sprachen wie Éwé sprechen und erst ab Beginn der ersten Klasse Französisch lernen. Der gesamte Unterricht findet dann nämlich auf Französisch statt.

Darüber hinaus ist es sehr unterschiedlich, wie viel es für mich zu tun gibt. An manchen Nachmittagen (z.B. wenn Wasch-Tag ist), kann ich eher weniger unterstützen. In diesem Fall schaue ich dann bspw. beim Kochen zu oder unterhalte mich mit den Mädchen, die gerade nicht beschäftigt sind. Mit dem Gefühl umzugehen, dort zu sein aber nicht immer aktiv etwas tun zu können, ist für mich immer noch nicht ganz leicht. Aber ich habe gelernt, dass es oft auch schon ausreicht, einfach da zu sein.



Zusammengefasst kann ich sagen, dass ich mich in meinem Projekt sehr wohl fühle. Die Mädchen sind (meistens 🙈) unfassbar liebenswürdig. Sie freuen sich riesig, wenn ich komme - die Jüngeren kommen meistens angerannt um mich zu umarmen, wobei sie mich fast umwerfen - und sind um einiges weniger begeistert, wenn ich abends wieder gehe. Und trotz aller Schwierigkeiten - es gibt nichts Schöneres, als wenn eines der Mädchen mich sieht und mir ihr ✨strahlendstes Lächeln✨ schenkt…☺️



P.S. Kennst du schon den Zeitungsartikel über meinen Freiwilligendienst und mein Einrad-Projekt? Nein? Dann schau gerne mal hier vorbei: https://leaintogo.wixsite.com/lea-in-togo/post/ich-bin-in-der-zeitung-mit-meinem-einrad-projekt-und-einem-spendenaufruf.

Viel Spaß beim Lesen!

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